Poopó See
Heute eine Wüste

Verlassene Fischerbötchen, vertrocknete Tierkadaver und ein Flussbett, das den zerbrochenen Stückchen einer staubtrockenen Tafel Schokolade ähnelt – lange Zeit war der im bolivianischen Andenhochland gelegene Poopó See mit fast 3.000 Quadratkilometern Fläche doppelt so groß wie Los Angeles. Doch der einst zweitgrößte See des Landes ist Geschichte: Im Dezember 2015 erklärten die bolivianischen Behörden den Poopó See für offiziell ausgetrocknet.

Die Dimensionen dieser Katastrophe sind erschreckend: Hunderten Menschen, die vor allem mit der Fischerei ihren Lebensunterhalt verdienten, ist die Existenzgrundlage vertrocknet. Ein großer Teil der indigenen Bevölkerung ist bereits fortgezogen. Viele gingen in die benachbarten Dörfer, wo immerhin noch ein wenig Wasser vorhanden ist, dafür aber häufig Plastikmüll und giftige Abwasser ein trauriges Bild bieten; andere wanderten gar in die Nachbarstaaten Argentinien und Chile aus. Die einst für den See berühmten Flamingos bleiben schon lange weg, Millionen Tiere sind längst verendet.

Ein Grund für diese Entwicklung ist die mit den Jahren immer geringer gewordene Wasserzufuhr durch den Fluss Desaguadero. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Silber- und Erzabbaus äußern sich hier modellhaft: Zum einen verbrauchen die Aktivitäten der Minen am Rande des Flusses große Wassermengen, die sich nicht so schnell wieder regenerieren. Zum anderen werden einem > aktuellen Bericht zufolge viel zu hohe Mengen von Schwermetallen in den Fluss geleitet. Pflanzen und Tiere werden verseucht, die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens gestaltet sich quasi unmöglich, und für die Menschen, die das belastete Wasser für ihren täglichen Bedarf nutzen, ergeben sich gesundheitliche Probleme.
In ihrer Not sehen sich zudem viele Familien dazu gezwungen, das wenige Flusswasser für den Anbau von Produkten für den Export abzuzweigen, beispielsweise für das in Europa immer beliebter werdende Quinoa.

Entscheidend für die aussichtslose Lage sei WissenschaftlerInnen zufolge aber die globale Erderwärmung. Für > Udo Gattenlöhner von der Stiftung Global Nature Fund ist das Verschwinden von Seen zwar normal. Das Problem bestehe aber darin, dass dieser Prozess neben der industriellen Übernutzung (s. oben) allen voran durch den menschgemachten Klimawandel beschleunigt werde. In Bolivien stieg die Temperatur seit 1982 um 1,8 Grad, während nur noch ein Bruchteil der sonst üblichen Niederschläge fällt. Immer trockenere Sommer und fehlender Regen sorgen dafür, dass die Böden den dann heftigen, aber unregelmäßigen kurzen Regen nicht aufnehmen, die Seen ihn somit nicht speichern können. In Kombination mit einer stetig wachsenden Bevölkerung kommt der Wasservorrat einfach nicht hinterher.

Der Poopó See hatte immer schon zu kämpfen. So stand er beispielsweise bereits Mitte der neunziger Jahre aufgrund einer schweren Dürreperiode kurz vor dem Austrocknen. Doch mit dem Regen kehrte auch wieder mehr Wasser in den See zurück. Aufgrund der sich an das Wetterphänomen El Niño normalerweise anschließenden Regenphase konnte sich der See auf diese Weise immer wieder einigermaßen stabilisieren. Auch im Jahr 2002 war der See stellenweise ausgetrocknet, für die Menschen reichte es aber gerade noch zum Überleben. Seit drei Jahren ist die Lage jedoch so ernst wie nie – mit einer Regenerierung des Sees rechnet angesichts immer längerer Dürreperioden heute niemand mehr…

So wie dem Poopó See ergeht es tausenden schwindenden Flüssen und Seen weltweit. Exemplarisch für das Verschwinden in Folge von industrieller Übernutzung ist der Aralsee zwischen Kasachstan und Usbekistan mit der ihn umgebenden wasserintensiven Baumwollindustrie. Weitere Beispiele sind der Tschadsee  am Südrand der Sahara, das Tote Meer zwischen Israel, Jordanien und dem Westjordanland sowie der Chapalsee in Mexiko.
Auch wenn sie nur 0,25 Prozent des weltweiten Wasservorrates ausmachen, sind Flüsse und Seen doch unentbehrlich für Mensch, Tier und Pflanze. Sie kühlen das Wetter ab, schützen vor Desertifikation und versorgen alle Formen des Lebens mit Wasser. Damit wirken sie nicht zuletzt Konflikten um Wasser sowie Flucht- und Migrationsbewegungen entgegen.

Was den Poopó See betrifft, bleibt nur noch ein Rest Hoffnung: Mit etwas Engagement können noch ein Drittel des Sees gerettet werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Bergbauunternehmen strenge Umweltauflagen erhalten, deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert wird. Damit nicht noch zusätzliche große Wassermengen für die landwirtschaftliche Produktion entnommen werden, müssten die Bauern der Anrainergemeinden nachhaltige Landwirtschaft praktizieren. Dafür wäre Weiterbildung und Starthilfe nötig. Der Staat hat bisher seine Unterstützung auf die Lieferung einiger Grundnahrungsmittel beschränkt. Und die Hilfsangebote lokaler Nichtregierungsorganisationen – etwa beim Bau von Dämmen, der Verlegung von Höfen oder dem Verkauf von Ton – können die Not nur vorübergehend lindern.

Die Aufnahmen der Fotostrecke von > Spiegel Online sowie von > Reuters verdeutlichen das Ausmaß der Situation am Poopó See.

Gemeinsam mit lokalen Partnern unterstützen wir Menschen, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern. Als gemeinnützige Organisation der Entwicklungszusammenarbeit sind wir in mehr als 20 Ländern rund um den Globus aktiv.